Gründung zweier MVZ Gynäkologie und Kinder- und Jugendheilkunde

KT  22.05.2017
Marianne Streicher-Eickhoff

Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
werte Kollegen und Kolleginnen,

einen Tagesordnungspunkt „Gründung eines weiteren MVZ“ können wir inzwischen fast turnusgemäß auf die Tagesordnung nehmen.Dabei muss allerdings auch die Frage gestattet sein:

  • Ist das wirklich die medizinische Zukunft in einem Landkreis, der in privilegierter, zentraler Lage an der Schnittstelle der europäischen Metropolregionen Rhein-Main und Rhein-Neckar liegt?
  • Ist das wirklich eine Notwendigkeit in einem attraktiven Zuzugskreis?
  • Liegt bei medizinisch attraktivem Umfeld ein Marktversagen vor, das den Eingriff der öffentlichen Hand in die Selbstorganisation des Berufsstandes erfordert?

Die Antworten sind nicht einfach und können sicher nicht in allen Einzelfällen gleichlautend sein. Persönlich bin ich mir aber sicher, dass wir nicht alle freiwerdenden Arztsitze in der Region aufkaufen und mit angestellten Ärzten und Ärztinnen auf eigenes unternehmerisches Risiko betreiben können.Diese Antwort wäre zu einfach, politisch unklug und zu risikoreich.

Wir haben vor circa 2 Jahren gemeinsam eine Matrix entwickelt, an der wir die Sinnhaftigkeit einzelner MVZ-Gründungen durch den Landkreis abprüfen wollten – und es in der Regel auch tun.Diese Matrix basiert auf Kriterien, die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Kreiskliniken in den Vordergrund stellen.Betriebswirtschaftlich ist zunächst dagegen nichts einzuwenden – uns fehlen allerdings

  • der perspektivische finanzielle Ansatz,
  • die Berücksichtigung der Auswirkungen auf die niedergelassene und niederlassungswillige Ärzteschaft,
  • das geänderte Mobilitätsverhalten der Patienten
  • sowie die Möglichkeiten des elektronischen Datenaustauschs.Da besteht aus Grüner Sicht Überarbeitungsbedarf und wir würden eine konstruktive Mitarbeit aller Fraktionen begrüßen.

 

Im vorliegenden Fall der Gynäkologie erscheinen uns die Ausschreibungsbedingungen so eng gefasst, dass eine Übernahme des Arztsitzes durch einen Klinikbetreiber die einzige Option ist. Wenn interessierte Einzelbewerber/innen dann daran scheitern, scheint ein Eingreifen des Landkreises zwar unter den Aspekten der Versorgung und der Konkurrenz zu anderen Klinikbetreibern nachvollziehbar

– unter ordnungsgemäßer Ausschreibung eines Arztsitzes, die für uns Entscheidungsgrundlage sein soll, stellen wir uns allerdings Anderes vor.

Es soll dabei nicht unerwähnt bleiben, dass die Verantwortlichen in unseren Kliniken und der MVZ-GmbH das Verfahren transparent und schlüssig dargestellt haben.

Da wir ein gewisses Erfordernis für die MVZ-Gründung „Gynäkologie“ am Standort Groß-Umstadt – auch in Kombination mit dem vorhandenen 1/2 Sitz sehen – werden wir der DS zustimmen.

Wenn wir unsere Kliniken mit den Arztsitzen in MVZ wirkungsvoll unterstützen wollen, brauchen wir allerdings für die Zukunft eine klare Wertung des Nutzens einzelner Facharztdisziplinen, die Grundlage für die Aufnahme von Verhandlungen ist.

Das Versorgungsstärkungsgesetz hat die Gründung von MVZ erleichtert. Das betonen wir immer wieder in den Begründungen für eigene Gründungen.

Wer sagt aber, dass die Erleichterungen ausschließlich zugunsten des Landkreises wahrgenommen werden sollen und können?
Etliche Kommunen haben eigene Initiativen entwickelt; fordern und fördern wir sie durch kompetente Beratung!Zulässige Umsatzsteigerungen fördern das Jobsharing für Ärzte und Ärztinnen, die familienbedingt nicht Vollzeit arbeiten wollen.
Die zulässige Rechtsform der GmbH entlastet Gründungen von Zusammenschlüssen junger Ärzte/innen. Sie sind nicht mehr auf die Form der BGB-Gesellschaft angewiesen.
Hier liegt u. E. Potenzial brach, das gefördert werden sollte. Das Handeln der niedergelassenen bzw. niederlassungswilligen Ärzte und Ärztinnen wird bestimmt durch die Kenntnis und das Angebot möglicher Optionen. Die gilt es, zu vermitteln.
Warum binden wir Kommunen und Ärzte nicht als Gesellschafter ein?

Meine Damen und Herren,
wir als Kreis sollten nicht so vermessen sein, die Herausforderungen der Gesundheitspolitik alleine meistern zu wollen.Vernetzung und Kooperation heißt seit langem das Zauberwort.
Ambulanter und stationärer Sektor rücken schon lange zueinander. Zum Versorgungsnetzt gehören neben den Ärzten aber auch weitere Gesundheitsdienstleister wie z.B. Altenpflege, Hebammen und Therapeuten.
Hier ist der Landkreis als Moderator der Zusammenarbeit und der Kooperationen gefragt, um ein attraktives Umfeld für Mediziner zu schaffen und

  • Weil wir es uns nicht leisten können voll ins finanzielle Risiko bei unsicherer Finanzierung durch Bund und Länder zu gehen.

Mit den „runden Tischen“ ist ein Anfang gemacht.

Der Erwerb des Facharztsitzes Kinder- und Jugendmedizin ist als „Vorratsbeschluss“ gedacht und birgt eine Reihe von Unwägbarkeiten. Gleichwohl ist uns seine Bedeutung für die Attraktivität der Geburtshilfe in Groß-Umstadt bewusst.Wert legen wir auf eine ordnungsgemäße Ausschreibung zur Findung eines freiberuflichen Bewerbers/in. Dem Kreisausschuss bzw. der Gesellschafterversammlung der MVZ-GmbH soll es dann obliegen, zum spätestmöglichen Zeitpunkt die aktuelle Situation zu bewerten – wie es die Änderung im Beschlussvorschlag des HFA vorsieht.